PresseschauAphoristiker Jürgen Wilbert:Kurze Rede, langer Sinnvon Alexander Schulte Interview: Der Düsseldorfer Aphoristiker Jürgen Wilbert über blöde Wortspiele und geistreiche Sprüche.WZ 17. September 2009
Düsseldorf. Herr Wilbert, wie wird man denn Aphoristiker? Wilbert: Das ist eine Geisteshaltung, die sich bei mir schon als Oberstufenschüler entwickelt hat, als ich auf ein Buch des großartigen polnischen Aphoristikers Stanislaw Lec gestoßen bin, "Unfrisierte Gedanken". Dieses Nicht-so-viele-Worte machen, nicht herumreden, auf den Punkt bringen, das hat mir damals schon sehr imponiert. Und im Anglistik-Studium bin ich dann auf viele gute Aphorismen von Mark Twain, Oscar Wilde und anderen gestoßen. Man wird heute mit gewollt witzigen Wortspielen geradezu bombardiert, in der Werbung und in den Medien. Wiglaf Droste sprach von der "Wortspielhölle". Man kann selbst pfiffige Sprüche nicht mehr hören. Wilbert: Das geht mir genauso. Dass ein Slogan, ein Kalauer an den anderen gereiht und herausposaunt oder plakatiert wird, nervt in der Tat. Ein Aphorismus ist aber mehr als ein Wortspiel, wenn er gelungen ist, muss er aus dem Dreiklang Gedanke, Bild und Witz bestehen. Er muss kurz, scharfsinnig, pointiert, ungereimt und bisweilen paradox sein, er ist auf die gedankliche Weiterarbeit des Lesenden angewiesen. Gerade jetzt in Wahlkampfzeiten muss es Sie doch grausen... Wilbert: Oft ist das so, ja. Diese Wahlslogans sind ja reine Parolen, wir haben im Moment wirklich eine Parolisierung der Umwelt. "Reichtum für alle", das ist einfach nur platt. Das gebiert wiederum viele Aphorismen: Politik ist das Bohren dicker Bretter, leider ist überall der Wurm drin. und ich bin auch Aphoristiker, um Worte für das zu finden, was mir die Sprache verschlägt. Sie haben versucht, in Düsseldorf Veranstaltungen zum Thema Aphorismen durchzuführen, etwa mit dem Kulturamt. Warum ist daraus nichts geworden? Wilbert: Das weiß ich auch nicht so genau. Es gibt zu viele Leute, die glauben, Aphorismen seien etwas Sprödes, Trockenes. Wir haben hier Projektanträge etwa zur interkulturellen Sprachförderung, zu kreativem Schreiben im Sinne von "Starke Sprüche" eingereicht - doch alles wurde abgelehnt. Ganz im Gegensatz zur Stadt Hattingen, wo wir Preise bekommen haben - etwa für ein Schulprojekt. Wie wollen Sie denn Schüler für hochgeistige Sprüche begeistern? Wilbert: Das geht leichter, als Sie denken. Schüler haben großen Spaß an Sprüchen und keineswegs nur an dummen. Anhand von Sprich- und geflügelten Worten aus verschiedenen Ländern und Kulturen, konnten sich Schüler schon ab der vierten Klasse mit ihren Vorstellungen und Vorurteilen auseinandersetzen. Und auch entdecken, dass viele Völker bei allen Unterschieden viel Gemeinsamens beim Sprachschatz aufweisen. Zum Schluss müssen Sie Ihre Lieblingsaphorismen nennen. Wilbert: Da gibt es viele. Bei mir ist es immer wieder Stanislaw Lec: "Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie." Oder: "Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können." Und natürlich Jean Paul: "Sprachkürze gibt Denkweite." Jürgen Wilbert, 63, geboren in Düsseldorf, machte sein Abitur am Lessing-Gymnasium und studierte dann in Bonn Anglistik, Politik und Pädagogik. Jahrelang gab er Kurse bei der Volkshochschule Düsseldorf, bevor er Leiter der VHS in Hattingen wurde. Wilbert ist verheiratet. |